Erfolg

Erfolg

Ein paar kleine Zeilen sind nötig. Nicht viel, nur ein paar Zeilen. Ich finde mich wieder in einem anderen Leben, zugeschüttet von der Aufmerksamkeit anderer. Ich merke, wie ich mich verliere zwischen all diesen Ichs, die Du sagen. Ich fange an, mich zu überschätzen. Aber vielleicht auch nicht. Meine Tage sind seit einiger Zeit restlos verplant. Ich habe sogar Spaß dabei. Ich präsentiere mich. Ja, ich fühle eine grenzenlose Begierde von außen, das Leben will mich auffressen, mit Zucker und Zimt. Wo ist der kleine Schatz, den ich immer mit mir herumtrage? Jeder wühlt darin herum, ich lasse die Kiste offen. Und die Frauen. Ich weiß nicht, woher das kommt. Sie schauen mich an, sie reden, sie fordern. Was ist passiert? Bin ich ein anderer Mensch geworden? Sehe ich anders aus, spreche ich anders? Woher kommt ihre Neugier? A… sagte mir, meine Augen seien es. Was ist mit meinen Augen? Es wird fast zuviel, wenn es auch eine angenehme Überforderung ist. Ich weiß nicht, wie lange das dauern wird. Bleibt das so oder verschwindet es so unangekündigt wie es kam? Sie sind alle freundlich zu mir, auch wenn ich gar nicht viel dafür tue. T… hängt meine Wäsche auf, F… schickt mir Emails, K… erklärt mir die Eigenoperatoren, P… will sich ständig mit mir treffen, S… auch, R… will mich wiedersehen, C… nimmt bei mir Gitarrenstunden und plant mit mir eine Märchen- und Musikaktion im Paradies. Ich fühle mich allmählich abgegriffen. Es reicht nicht, mich geschmeichelt zu fühlen. Das ist nicht alles. Ich muß einen Umgang finden.

Gestern traf ich im Paradies, bei der Planung des Kinderabends, ein hübsches und interessantes Mädchen. Wir vertieften uns in ein Gespräch, bei dem die anderen völlig ausgeblendet waren. Sie hat die meiste Zeit geredet (so kommt es mir vor). Ich habe ihre Nummer, die sie mir bereitwillig gab. M… hat sich über mein Gitarrenspiel beim Halloween-Abend gefreut, so überbrachte mir ausdrücklich R…. Sie und auch A-K, die nun wieder solo ist, hat mir ihre Nummer gegeben. Am Sonntag treffe ich eines der hübschesten Mädchen der Stadt. Leider kennen wir uns nur von den Sitzungen und Parties bei A… und P…, mit denen sie zusammenwohnt. Ich weiß nicht, wer sie ist, noch weiß sie, wer ich bin. Natürlich war ich gleich ein wenig verliebt in sie, habe mir das aber aus dem Herz geschlagen, denn schließlich ist das der Gipfel, wenn ich vor P…s Nase erst N…, seine lange unglückliche Liebe wegschnappe, an einem See vor 11 Wochen, es entwickelt sich sogar noch eine Beziehung, und dann vernasche ich seine Mitbewohnerin, in die er ebenfalls verliebt ist – Kunststück! Ich muß aufpassen…

O.K. es hat sich etwas verändert. Und ich wache inmitten dieser Veränderung auf. Wie verhält sich nun ein solcher Veränderter, der seine eigene Veränderung mitkriegt? Er ist irritiert. Er freut sich, er ist mißtrauisch. Er genießt und fürchtet, daß alles wieder zwischen seinen Fingern zerrinnt. Er will sich nicht abhängig machen, denn Freiheit ist eins seiner wichtigsten Ziele. Wenn er sich vom Erfolg abhängig macht, dann wird es ihn umhauen, wenn er mal keinen hat. Wenn er dem Erfolg Gleichgültigkeit gegenüberbringt, verliert er ihn vielleicht darum. Er will Erfolg haben, aber ihm nicht dienen. Er will genießen ohne zu fürchten. Er will zuhause sein, aber unterwegs. Er will Vertrautheit, aber Fremdes zieht ihn an. Er will Bewegung und Ruhe. Kann es passieren, daß es ihn zerreißt? Genau das fürchtet er gerade. Ich sehe ihn sitzen und an den Nägeln knabbern, er weiß nicht so recht, was er von all dem halten soll. Er ruft sich manchmal selbst zu: „Genieße doch, du Idiot! Bald ist vielleicht alles wieder vorbei und dann stehst du da!“

SIE hat von sich aus angerufen, er hatte nicht damit gerechnet. Zwar hat er es irgendwie fertiggebracht, in Anwesenheit all der verschiedenen Menschen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt durch eine Diskussion abgelenkt waren, ihr in wenigen Sätzen die Bereitschaft zu einem persönlichen Treffen mitzuteilen. Aber danach war die Diskussion bei ihm angelangt, er mußte sich daran beteiligen und es war vorbei mit der kurzen Vertraulichkeit. Nun ruft sie einfach an. Zack! Was er nie für möglich hielt, passiert einfach. Und er ist noch viel mehr irritiert. Wie soll er auch damit umgehen? Er hielt sich lange Zeit für einen Verlierer, auch wenn die äußeren Umstände nicht immer so verloren waren, wie er sie zu sein glaubte. Aber ein gewisses Gefühl, … naja, ich kenne seine Tagebucheinträge. Ich lese nicht so gern darin herum. Es erscheint mir peinlich, vor allem diese endlosen Eskapaden des Selbstmitleids. Aber ich bin ein dokumentarischer Mensch und hebe alles auf. Wer weiß, vielleicht wird es jemanden später einmal interessieren, der seine Vergangenheit sucht.